Ausgabe vom 01.04.1995 Seite 14

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lung beim Einmarsch der Alliierten und noch Jahre danach geprägt. Es geht um die bis heute vieldiskutierte Frage, ob man sich hierdurch befreit gefühlt hat. Wenn auch, bedingt durch die chaotischen Verhältnisse kurz vor Kriegsende, viele Menschen tatsächlich das Ende des Krieges herbeisehnten, öffentlich konnte eine solche Gesinnung nicht bekundet werden. Es gab auch Ausnahmen. In München wurden die amerikanischen Soldaten, nachdem die örtliche Parteileitung die Stadt verlassen hatte, mit großem Jubel empfangen, wie ein Reporter der Zeitschrift Life zu seinem Erstaunen feststellte. Frauen kletterten auf die Panzer, küßten und umarmten die Soldaten. Für sie, die tags zuvor das Konzentrationslager Dachau befreit hatten, war das alles schwer verständlich. Und dennoch empfanden viele Deutsche den 8. Mai 1945 als einen Tag der Befreiung, wie dies der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker in seiner weltweit beachteten Rede zum vierzigsten Jahrestag des Kriegsendes im Jahre 1985 formulierte. Diese Erkenntnis setzte sich freilich erst im Laufe der letzten zwanzig Jahre durch, denn zum einen hatten bis weit in die Nachkriegszeit noch viele Deutsche geglaubt, einer gerechten Sache gedient zu haben. Zum anderen konnten große Teile der Bevölkerung angesichts der ...